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Grafik: Bunte E-Zigaretten in einer Rauchwolke bilden das Wort Nikotin
Info von Team aROund
Bereich
Wissen
Veröffentlicht
01.03.2024

Dampf oder Rauch?

Als ich durch ein Magazin blättere stoße ich auf eine große Werbeanzeige mit dem Titel "Wann wird Deutschland rauchfrei?" Die Anzeige spricht mich an: schöne Farben, Bilder von positiven Menschen, das Wort `Vielfalt´ groß geschrieben und eine Frage, die ich mir auch manchmal stelle, wenn mich der Qualm von Zigaretten an der Bushaltestelle oder im Biergarten nervt. Aber was steckt dahinter? Also wer hat diese Anzeige bezahlt? Das Logo ist von `BAT Germany´ und ganz unten steht klein gedruckt `British American Tobacco´. Hä? Ist das nicht ein Konzern, der selbst Tabakprodukte verkauft? Ich will es genauer wissen und google die Webseite von BAT Germany. Ja, die verkaufen Zigaretten. Und auch E-Zigaretten. Und darum geht es wohl letzten Endes, uns zu erzählen, dass Dampfen `gesünder´ ist als Rauchen. Aber stimmt das? 

Vielleicht kennst du Rebecca Schodrowski schon aus den aROund Beiträgen zu Cannabis und zum Sicheren Feiern. Sie arbeitet als Expertin für präventiven Jugendschutz in der Kommunalen Jugendarbeit des Landkreises Rosenheim. Rebecca hat viel Ahnung was legale und illegale Drogen angeht. Deshalb habe ich sie um ein Interview gebeten und ihr die Werbung in dem Magazin gezeigt.

Foto: Eine junge Frau mit langen Haaren lacht freundlich in die Kamera

Hallo Rebecca. Was hältst du von dieser Werbung?

Die Frage `Wann wird Deutschland endlich rauchfrei?´ ist vor allem deshalb kritisch zu sehen, weil sie hier von der Tabakindustrie selbst gestellt wird. Fakt ist, dass die Tabakindustrie Produkte herstellt, die der Gesundheit  schaden und zum Tod führen können. Mit der Überschrift unternimmt sie meiner Meinung nach einen Versuch, für ihre `weniger schädlichen´ Produkte zu werben, nämlich E-Zigaretten und ähnliche nikotinhaltige Produkte. Wirklich rauchfrei könnte die Welt nur dann werden, wenn die Tabakindustrie keine Produkte mehr herstellt, die zu einer Abhängigkeit führen. Das ist wohl eher nicht deren Ziel, denn die verdienen ja viel Geld damit. Die gesündeste Alternative zum Rauchen ist nach wie vor, gar nicht erst mit dem Rauchen anzufangen.

 

Du bist mit dem Zug hergekommen. Wieviele Raucher hast du heute schon gesehen?

Also fünf auf jeden Fall.

 

Haben die dich gestört?

Nur die, die mir zu nahe standen. Die wissen oft gar nicht, wie groß ihre Dampfwolke ist, die sie da produzieren.

 

Rauchst du selbst?

Nein. Ich habe es mal ausprobiert, als ich so 16 Jahre alt war ... und schnell festgestellt, dass das nicht zu mir passt. Und dann hab ich´s wieder gelassen.

Nikotin ist Gift

Warum müssen wir über Nikotin reden?

Weil es eine der Suchterkrankungen ist, wo es die häufigsten Toten gibt. Nikotin ist eine Substanz, die extrem schnell abhängig macht. Und es ist tatsächlich so, dass es bei Jugendlichen auch wieder beliebter wird.

Das liegt natürlich an den neuen Produkten auf dem Markt, wie den Vapes, die es in allen Farben und Geschmacksrichtungen gibt. Wirklich alles daran ist auf eine junge Zielgruppe ausgerichtet. Die will man ködern und abhängig machen, so dass sie am besten ein Leben lang dabei bleiben.

 

Warum fangen junge Leute an zu rauchen?

Rauchen ist vermeintlich cool - es steht für Abenteuer, Freiheit und Unabhängigkeit. Dieses Image kommt aus der Werbung und hat sich leider total festgesetzt. Ich würde schon sagen, dass es genau das trifft, was Viele in der Pubertät ausprobieren wollen: Abenteuer erleben, sich ausprobieren und vielleicht auch was Verbotenes tun. Man sieht ja rund um Schulen oder an Bahnsteigen viele junge Leute, die rauchen, obwohl sie eigentlich gar nicht an diese Waren drankommen sollten. 

Ab wann darf man denn rauchen und wo?

Generell gilt, dass alle nikotinhaltigen Produkte ab 18 sind - egal ob Zigarrette oder E-Zigarrette, Vapes, Pouches oder Iqos. Auch wenn deine Eltern es okay fäden, wenn du schon mit 16 rauchst - nein, du darfst es unter 18 weder kaufen, noch weitergeben noch konsumieren. Das alles ist strafbar. Seit es das Nichtraucher-Schutz-Gesetz gibt, darf an vielen Orten generell nicht geraucht werden. Denn heute weiß man: passiv Rauchen ist fast genauso schädlich wie selber Rauchen. Deshalb gibt es Rauchverbote in öffentlichen Innenräumen, wie z.B. Schulen, Bars oder Kinos.

 

Echt? Passiv-Rauchen ist fast genauso schädlich?

Alles, was in die Lunge reinkommt, was quasi keine frische Bergluft ist, kann man davon ausgehen, dass es nicht gut für den Körper ist. Das gilt auch für die neuen E-Zigarretten, wo kein Tabak drin ist. Ganz wichtig: Kein Tabak heißt ja nicht kein Nikotin! Was da passiert ist, dass Nikotin-Salze verdampft werden, die eine Art Diskonebel produzieren. Man muss aber davon ausgehen, dass der nicht unbedenklich ist. Genau weiß man das noch nicht, weil es bisher wenig Forschung dazu gibt. 

Mit und ohne E

Foto: Ein Regal in einem Tabakladen vollgestopft mit verschiedenen Tabak- und Nikotin-Produkten

Kannst du mir den Unterschied zwischen Zigaretten und IQOS erklären?

Es gibt verschiedene Wege, um Nikotin in den Körper zu befördern. Der eine ist Inhalieren und der andere ist über die Schleimhäute. Zweites sind z.B. die so genannten Pouches, Nikotinbeutelchen, die man sich unter die Lippe legt. Beim Inhalieren unterscheidet man zwischen Rauchen und Dampfen. Rauchen tut man die herkömmlichen Zigarretten, die zerkleinerte, chemisch behandelte Tabakblätter enthalten, die angezündet und verbrannt werden.

 

Eher neu sind die IQOS - das steht übrigens als Abkürzung für `I quit ordenary smoking´. Das sind Tabakerhitzer, also kleine Maschinen, in die man Sticks mit zerkleinerten Tabakblättern steckt. Der Tabak wird aber nicht angezündet, sondern mit einer Heizspirale erhitzt. Man sagt, er verglimmt, verbrennt aber nicht und so reduzieren sich tatsächlich manche Schadstoffe.

Und E-Zigaretten sind nochmal was anderes?

E-Zigaretten sind Verdampfer mit einem USB-Anschluss zum Aufladen. Man füllt da vorgemischte Liquids in verschiedenen Geschmacksrichtungen ein und kann so auch kontrollieren, wieviel Nikotin man drin haben will. Beim Verdampfen entstehen - wie beim Wasserkocher - Aerosole, die man inhaliert. E-Zigarretten können sich deshalb für starke Raucher anbieten, die aufhören wollen, weil sie damit die Nikotinmenge nach und nach reduzieren können. Bei einer Sucht kann es quasi die gesündere Alternative sein. Aber wenn du gleich mit E-Zigaretten anfängst, hilft das natürlich auch nichts.

 

Sind E-Zigaretten also gesünder?

E-Zigaretten sind weniger schädlich, aber genauso gefährlich! Und sie sind nicht gesund. Das ist ein wichtiger Unterschied. Sie wurden nicht für einen gesunden Livestyle entwickelt, sondern um Menschen abhängig zu machen!

Vapes sind Müll

Und was sind diese bunten Teile, die aussehen wie Textmarker?

Das sind Vapes, wie z.B. die bekannten die Elfbars. Die zählen auch zu den E-Zigarretten, sind aber Einweg-Produkte, die man nicht auseinanderbauen und nachfüllen kann. Man nennt die auch `Cigalikes´. Nicht zu verwechseln mit den Vaporizen, die meist für Cannabis genutzt werden.

Eigentlich alle E-Zigaretten enthalten Nikotin. Vapes sind nicht recyclebar. Sie lassen sich nicht in ihre Bestandteile zerlegen und dem Umwelt-Kreislauf zurückführen.

 

Also eine echte Umwelt-Sauerei?

Ja, genau. Das sind ja Batterien drin. Die gehören also nicht in den Restmüll und erst recht nicht ins Gebüsch. Man müsste sie eigentlich beim Wertstoffhof entsorgen oder in großen Supermärkten, die auch solche Sammelstellen anbieten. Das Müllproblem könnte aber tatsächlich auch eine Möglichkeit sein, wie die Politik Vapes verbieten könnte, über die Müllbestimmungen.

Die Zielgruppe von Vapes ist jung, aber erlaubt sind sie erst ab 18?

Viele bestellen sich Vapes im Internet. Da reicht meist ein Click bei der Altersabfrage aus, dass man volljährig sei. Das wird leider viel zu wenig kontrolliert. An Automaten muss es per Gesetz eine Vorrichtung zur Alters-Verfifikation geben. Aber wenn man einen Perso oder eine Bankkarte von jemand über 18 ausleiht, kann man auch das zu leicht umgehen. Sollte man bei sowas allerdings erwischt werden, kann es teuer werden!

 

Vapes sehen irgendwie total ungefährlich aus...

Genau das ist ein Problem! Mit fancy Geschmacksrichtungen wie Ice Blueberry oder Ginger Cola locken sie junge Kundschaft an. Alles was süß ist und z.B. nach tropischen Früchten oder sogar Cocktails schmeckt, ist besonders attraktiv. Wenn etwas nach Mango schmeckt anstatt nach herbem Tabak, dann ist der Einstieg leichter. Aber so wie Vapes aktuell hergestellt werden, kommt das Nikotin sogar noch schneller im Gehirn an als bei Zigarretten. Das heißt, sie wirken schneller und machen schneller süchtig. Man fühlt sich quasi schon nach dem ersten Zug entspannt und dieses Level möchte das Gehirn halten.

Sucht im Gehirn

Das was süchtig macht ist also das Nikotin? 

Ja. Vom Passivrauchen wird man allerdings nicht süchtig. Man nimmt "nur" die anderen Schadstoffe mit auf, aber auch die können zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs führen. Was ich besonders traurig finde ist, dass wir bisher kein Gesetz haben, das verbietet, dass man in der eigenen Wohnung oder im Auto raucht, wo auch Nichtraucher sind - noch nichtmal, wenn Kinder daneben sitzen.

 

Was müssen junge Leute unbedingt über das Rauchen und Dampfen wissen?

Ganz entscheidend ist das Einstiegsalter! Wenn ich zwischen 12 und 18 Jahre mit dem Rauchen anfange, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ich abhängig werde und dass ich große Probleme haben werde, wieder vom Nikotin wegzukommen. Das liegt daran, dass das Nikotin in der Wachtumsphase des Gehirns die entsprechenden Andockstellen verändert. Der Körper lernt: wenn ich eine Zigarrette rauche, geht es mir besser. Sobald danach der Entzug einsetzt, ist das Verlangen nach der nächsten Zigarrette da. Das ist das Gefährliche daran! So wird man zum Gewohnheitsraucher und wenn man später nicht mehr rauchen will, schaffen es dann nur noch traurige 5 Prozent langfristig aufzuhören. 

 

Also wie du gesagt hast: Am besten gar nicht erst anfangen. Danke für deine Infos, Rebecca!

Gerne. Bis zum nächsten Mal!

Rauchfreie Länder
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Neuseeland gehört mit seinen Maßnahmen gegen das Rauchen weltweit zu den Vorreitern. Die Steuern auf Zigaretten sind seit 2010 um 165 Prozent gestiegen, die Tabakpreise gehören zu den höchsten der Welt. Seit ein paar Jahren verbietet ein Gesetz, Tabak an Menschen zu verkaufen, die am oder nach dem 1. Januar 2009 geborden wurden. Und es dürfen nur wenige Händler überhaupt Zigarretten verkaufen.

 

Auch Großbritannien plant ein ähnliches Gesetz für eine rauchfreie Generation. Wer jetzt unter 16 Jahren alt ist, soll nie legal Zigarretten kaufen können. Einweg-E-Zigaretten (also Vapes) sollen vielleicht sogar ganz verboten werden.

Die Wahrheit
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Wenn man sich durch die Webseite von British American Tobacco klickt, findet man tatsächlich auch ehrliche Worte zu den Risiken:

 

"Der Konsum traditioneller Zigaretten birgt ernsthafte Gesundheitsrisiken. Der einzige Weg, um sicherzugehen, diese zu vermeiden, ist, nicht zu rauchen."

 

Und weiter:

„Nach aktuellem Kenntnisstand ist die Aussage, dass Dampfen mindestens 95 Prozent weniger schädlich ist als Rauchen (...) Es sollte beachtet werden, dass dies nicht heißt, dass E-Zigaretten ungefährlich sind."

Wo es Hilfe gibt
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Wer denkt, dass er oder sie vielleicht schon ein Suchtproblem mit Nikotin hat oder das bei Freunden sieht, kann sich informieren und Hilfe holen bei der Beratungsstelle neon in Rosenheim. Auch die Diakonie Rosenheim ist eine gute Anlaufstelle.

 

neon Rosenheim

Diakonie Rosenheim

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