
- Artikel von Team aROund
- Bereich
- Freizeit
- Veröffentlicht
- 15.04.2025
Gaming - ab wann ist es Sucht?
Lightning aus Final Fantasy 13 - das ist ihr Lieblings-Charakter. "Einfach weil sie so bad ass ist und sich gar nichts scheißt und einfach ihr Ding durchzieht", sagt Adelina Heinz und lacht. Sie arbeitet als Jugend-Suchtberaterin bei neon Rosenheim, einer gemeinnützigen Organisation zur Suchthilfe und Prävention. Das heißt, sie berät junge Menschen, die bereits ein Suchtproblem haben, aber auch die, die gar nicht erst süchtig werden wollen. Adelina ist 23 und selbst Gamerin. "Zocken macht in erster Linie Spaß und schüttet Glückshormone aus", sagt sie. Dasselbe gilt für Doomscrolling bei Social Media. Aber jede und jeder hat ein gewisses Risiko, abhängig zu werden. Wann also wird es gefährlich für die eigene Gesundheit? Das möchte ich von Adelina wissen, die ich an ihrem Arbeitsplatz bei neon, schräg gegenüber der Stadtbibliothek Rosenheim getroffen habe.
Hallo Adelina, wollen wir eine Runde zocken?
Haha, ansich klar gerne. Wir haben hier sogar einen eigenen Steam-Account für die Arbeit. Da sind aber in erster Linie so kleinere Sachen wie Auto-Rennspiele drauf, wenn wir zum Beispiel einen Gaming-Abend in einem Jugendtreff organisieren.
Dein Lieblings-Spiel ist Final Fantasy. War das schon immer so?
Also jetzt bin ich schon vor allem in Roleplays unterwegs, aber früher war ich totaler Pokemon Fan - so voll retro mit Nintendo DS Light. Du trainierst dein Pokemon von Arena zu Arena und musst den Champion besiegen.
Was war dein Lieblings-Pokemon?
Haha, Ponita! Das ist ein Pferd, das so Feuerattacken kann. Das war gar nicht sooo stark, aber ich war halt früher auch so ein Pferde-Mädchen. Das eine schließt das andere ja nicht aus.
Dass du als Sucht-Beraterin arbeitest schließt ja auch nicht aus, dass du gerne zockst. Kann man denn sagen, wer besonders gefährdet ist, von Videospielen oder Social Media abhängig zuwerden?
Nein, eigentlich gar nicht. Prinzipiell hat jede Person ein gewisses Risiko, in eine Abhängigkeit zu kommen. Das hängt aber von ganz vielen verschiedenen Faktoren ab. Eltern sagen ja oft sowas wie, das liegt nur an deinen Freunden, oder so. Aber das kann auch damit was zu tun haben, wie gut man selbst mit Stress und Problemen umgehen kann.
Was macht süchtig?
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Videospiele und Social Media können süchtig machen - wieso ist das so?
Also bei Social Media, wenn man da unterwegs ist, dann wird oft ganz viel Dopamin ausgeschüttet, dadurch dass einem immer Content gezeigt wird, der einem gefällt. Deshalb fühlt man sich gut. So sind diese Plattformen ja extra gestaltet, dass man möglichst viel Zeit da verbringt. Und das kann einen schon in eine Abhängigkeit bringen.
Auch beim Gaming werden Glücksgefühle ausgeschüttet. Und da kommt noch der Aspekt dazu, dass die Spiele so gestaltet sind, dass du vollkommen eintauchen kannst. Du bist Teil dieser Welt. Was letztendlich auch dafür sorgt, dass es manchen Personen schwerer fällt, wieder da rauszukommen. Du bist in dieser fantastischen Welt unterwegs und spielst einen Charakter, der tolle Fähigkeiten hat, den du vielleicht selbst so erstellt hast, wie du gerne wärst - das kann einen schon sehr fesseln.
Dopamin ist sowas wie ein Glückshormon. Aber manchmal sind solche Spiele doch auch unheimlich stressig. Wieso werden dabei Glücksgefühle geweckt?
Vor allem passiert das natürlich, wenn man Erfolgserlebnisse hat. Du spielst ein superschwieriges Level und dann schaffst du das und damit hast du ein Erfolgserlebnis. Das kann dich pushen weiterzumachen. Dein Selbstwert ist befriedigt und im Spiel bekommst du einen Bonus, also besondere Ausrüstung oder Münzen, um dir in diesem Spiel was neues oder besonderes zu leisten. Das kann dich noch mehr in das Spiel reinziehen, vor allem wenn du was geschafft hast, das du in der realen Welt vielleicht gerade nicht so schaffst.
Geht es also um Belohnung?
Genau! Aber für die Gaming Industrie geht es natürlich um´s Geld. Bei manchen Online Spielen, wie bei Fortnite, kann man ja auch mit Echtgeld bezahlen, um sich gewisse Vorteile zu beschaffen. Das ist verlockend, aber auch manchmal ziemlich enttäuschend, wenn dann das Geld weg ist und man sich nichts Reales mehr davon kaufen kann.
Bin ich süchtig?
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Wissen denn alle, die süchtig sind, dass die süchtig sind?
Manche ja. Denen ist schon bewusst, dass ihr Konsumverhalten problematisch ist. Oft wollen die dann eigentlich auch was daran ändern und ihre Gamingzeiten reduzieren, schaffen es aber nicht. Es gibt aber auch die, die ein echt krasses, also extremes Konsumverhalten haben, denen das aber nicht bewusst ist oder die es nicht wahrhaben wollen.
Wie kann ich denn erkennen, ab wann es eine Sucht ist?
Das passiert nicht von heute auf morgen, dass man in eine Abhängigkeit rutscht. Das ist ein schleichender Prozess und dauert viele Monate an. Woran man es merkt, ist, wenn man zum Beispiel feststellt, dass man andere Dinge vernachlässigt, die man früher gerne gemacht hat, wie Hobbys. Oder dass man sich weniger mit Freunden trifft. Vielleicht werden auch deine Schulnoten schlechter, weil du durch das Zocken nicht mehr so viel Zeit fürs Lernen hast.
Und wenn man das eben nicht bemerkt?
Es gibt schon auch körperliche Anzeichen, wie dass man öfter übermüdet ist oder Konzentrationsschwierigkeiten hat. Und wenn du mal dein Spiel für längere Zeit weglegst, dann meldet sich dein Körper vielleicht auch mit Entzugserscheinungen. Die können körperlich sein, wie Zittern, Herzrasen oder Schwindel. Aber auch psychisch: Du bist vielleicht unruhig, aufgekratzt, fahrig oder du kannst schlechter einschlafen. So kann man das bei sich selbst erkennen. Aber vielleicht fällt es auch deinem Umfeld auf. Eltern merken das meist am schnellsten, aber auch Freunde haben oft gute Antennen bei sowas.
Was kann ich dann als Freund oder Freundin tun?
Auf jeden Fall ansprechen, dass man sich selbst Sorgen macht. Bitte nicht vorwurfsvoll wie: Ich glaube, du hast da ein Problem. Eher so: Mir ist aufgefallen, dass wir in letzter Zeit weniger zusammen machen. Und signalisieren: Ich bin bereit, dir zu helfen und unsere Freundschaft zu retten.
Grenzen erkennen
Was soll ich tun, wenn meine Eltern mir nicht so viel erlauben und ich das Gefühl habe, den Anschluss an meine Clique zu verlieren, weil die alle mehr dürfen?
Das ist natürlich voll die dumme Dilemma-Situation, denn meist will man dann ja auch mehr. Wenn man allerdings merkt, dass es einem selbst gar nicht so gut tut, dann ist das total stark, wenn man es schafft, zu sagen, dass man halt selbst weniger zockt.
Auch für Eltern ist das ein Dilemma. Die entscheiden das ja bis zu einem gewissen Alter mit. Sagen die jetzt, okay, dann erlaube ich meinem Kind auch mehr, damit es zur Gruppe dazugehören kann oder schauen die auf ihr Kind und sagen, nein, die Gesundheit meines Kindes ist mir wichtiger als die Gruppe, also ziehe ich meine Regel durch und erlaube am Tag nur zwei oder eine Stunde. Aber irgendwann wird man älter und dann liegt die Entscheidung bei einem selber.
Aber wie schafft man das?
Wer sich beim Thema Handy reduzieren möchte, für den gibt es auch Apps als Tools, zum Beispiel Forest. Das kann einem helfen, fokussiert an einer Sache wie Lernen dran zu bleiben. Oder man stellt sich Limits für bestimmte Apps ein. Dafür muss man aber eine gewisse Selbstdisziplin haben, um die Limits dann nicht zu umgehen. Am besten hilft tatsächlich, das Handydisplay auf schwarz-weiß zu stellen, weil das die Handynutzung unattraktiver macht. Oder Ausmisten, also Apps löschen, so dass man nur noch die nötigsten drauf hat. Das gilt auch für Social Media Accounts! Entfolgen ist das Zauberwort. Beziehungsweise nur noch denen folgen, die einem echt was bringen.
neon hilft
Und beim Thema Gaming?
Manchmal kann es auch helfen, sich bewusst medienfreie Zeiten zu nehmen. Dass man zu manchen Aktivitäten sein Handy komplett ausschaltet oder gar nicht erst mitnimmt. Wenn das alles schon nicht mehr geht und man merkt, ich schaffe es einfach nicht, dann kann man sich auch beraten lassen, zum Beispiel hier bei neon, zum Beispiel bei mir.
Wie melde ich mich denn bei dir, wenn ich das möchte?
Am besten einfach bei neon anrufen und sagen, dass man eine Beratung zum Thema Medien und Gaming wünscht. Dann kriegt man in der Regel zeitnah einen Termin bei mir. Ich setze mich mit dir zusammen und wir schauen uns dein Thema an. Also, worum geht´s, wo soll es hingehen? Ich entscheide nicht für die Person! Die Person sagt selbst, was sie erreichen möchte und ich helfe ihr dann, das zu schaffen. Manchmal braucht es dafür vielleicht auch eine Therapie. Ich kenne verschiedene Stellen, die ich empfehle, wenn es richtig ernst ist.
Sucht-Therapie? Ich das nicht krass?
Therapie ist immer anstrengend. Man arbeitet ja an sich selbst. Und man fragt sich dann, wie konnte es so weit kommen? Was hat in meinem Leben eigentlich gefehlt, dass ich das in virtuellen Welten kompensiert habe? Dann geht es darum zu lernen, wie man wieder in einen kontrollierten Konsum zurückkommt und welche Strategien helfen, nicht rückfällig zu werden. Aber es braucht auch echt nicht jede oder jeder eine Therapie. Erstmal zu mir kommen und wir schauen uns das an.
Ist das kostenlos?
Ja, die Beratung bei neon ist kostenlos und unterliegt der Schweigepflicht! Auch wenn man noch nicht 18 ist, kann man zu mir kommen, ohne dass die Eltern davon erfahren müssen. Wir helfen Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 14 bis 21 Jahren, aber wer knapp jünger oder älter ist, wird auch nicht weggeschickt.
Auf eurer Webseite gibt es auch einen Selbsttest. Wenn ich den mache, kommt relativ schnell: Achtung, du bist gefährdet!
Ich kann mir vorstellen, dass da bei mir auch relativ schnell Achtung kommt. Wir leben in einer Gesellschaft, wo man das Handy tagtäglich für alles mögliche nutzt. Es kommt also darauf an, wie man es nutzt: zum Telefonieren mit Familie und Freunden oder weil ich einfach nur 2 Stunden Doomscrolling mache.
Gibt es denn Empfehlungen, wieviel Zeit man spielen darf?
Es gibt so eine Faustregel ab 10 Jahren. Die heißt: Handynutzung in Stunden pro Woche gleich Alter. Also mit 14 Jahren 14 Stunden die Woche - also 2 Stunden am Tag oder halt am Wochenende mehr und unter der Woche weniger.
Welche Gefahren außer der Sucht lauern noch?
Im Gamingbereich gibt es die Kostenfalle mit In-App-Käufen, dass man schnell die Übersicht verliert, wieviel Geld man schon ausgegeben hat. Aber auch Mobbing ist ein Thema bei Online Spielen. Oder Hate Speach, dass Leute einen beleidigen. Das gleiche auch bei Social Media: Cybermobbing, negative Kommentare. Und die Gefahr, was macht das mit meinem Selbstbild, wenn ich immer nur perfekte Leute sehe. Mir ist das früher mal passiert. Ich habe dann für eine Zeit lang Instagram von meinem Handy gelöscht, weil ich einfach gemerkt hatte, dass ich davon zu sehr beeinflusst wurde.
Wie hast du das gemerkt?
Ich bin mit einem schlechteren Gefühl von der Plattform runter gegangen als ich draufgegangen war. Weil ich da mit Content gefüttert wurde, wo ich angefangen habe mich zu vergleichen. Und plötzlich dachte ich, mein Leben wäre total langweilig. Warum haben die anderen ein so viel cooleres Leben? Haben sie aber gar nicht. Die zeigen halt nur die aufregensten Momente und schönsten Fotos.
The good side of games
Man kann ja auch Freunde online in Games finden. Ist das nicht positiv?
Doch, klar! Für mich zählt das auch als soziale Kontakte. Aber man sollte halt aufpassen, dass man nicht nur noch Freunde in online Welten hat!
Gibt es noch mehr Gutes an Games?
Ja! Man kann zum Beispiel in eine schöne Welt eintauchen und mal so richtig abschalten. Bei manchen Spielen kann man auch nützliche Skills lernen, zum Beispiel Teamplaying. Es kann auch die Reaktionszeit verbessert werden. Man trainiert Vorstellungsvermögen und Kreativität. Games kann man echt nicht nur verteufeln. Und der allerwichtigste Aspekt: Es macht einfach Spaß!
Wenn es einem gelingt, die Balance zwischen der realen und der virtuellen Welt zu halten, kann man eigentlich nur gewinnen.