Mutig oder lästig? | Foto: Christian Schulz
Klima-Terrorismus oder Weckruf?
Sich auf der Straße festkleben, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren? Das wirkte bis vor kurzem noch unrealistisch, doch seit 2022 kennt jeder die Letzte Generation. Es gibt wohl kaum ein Thema, das in letzter Zeit zu mehr Diskussionen in der Politik und am Esstisch geführt hat. Da dieses Thema aktuell sehr emotionsgeladen ist und auch sehr viel Desinformation verbreitet wird, habe ich mal etwas recherchiert und will hier klare Fakten schaffen.
Was ist eigentlich die Letzte Generation?
Seit 2021 gibt es die Letzte Generation. Entwickelt hat sie sich aus einem Hungerstreik in Berlin, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Der Name Letzte Generation heißt nicht, dass sie die letzte Generation auf Erden sein werden, sondern dass ihre Generation die letzte ist, welche die Erde vor den Kipppunkten retten kann. Die Kipppunkte sind bestimmte Ereignisse, die den Klimawandel unaufhaltbar machen könnten, wie z. B. der Verlust des Amazonas-Regenwalds oder das Schmelzen des kompletten Polareises. Die Letzte Generation versucht durch ihre Proteste, mehr Aufmerksamkeit darauf zu lenken und somit die Politik zu zwingen, den Klimaschutz ernster zu nehmen.
Ihre Protestformen unterscheiden sich sehr von klassischen Protesten, selbst von anderen Klimaschutzorganisationen wie Fridays for Future. Ihre Mitglieder kleben sich auf Straßen fest, um Autos an der Weiterfahrt zu hindern. Darüber hinaus beschädigen sie Kunstwerke mit Farbe bzw. Tomatensoße. Es wurden auch einige Luxus-Geschäfte und Privatjets beschmiert.
Eins ist klar: ihre Aktionen erzeugen definitiv Aufmerksamkeit. Jedoch ist diese oft mit Wut und Hass verbunden. Bei Blockaden von Fahrbahnen steigen Autofahrer aus und beleidigen die Protestierenden. Einige versuchen auch, sie wegzuziehen oder gar sie anzufahren, wie am 12. Juli 2023 in Stralsund (Artikel von T-Online). Auch Online gibt es viel Hass gegen die Letzte Generation, vor allem in Kommentarspalten unter Video-Posts zu den Protesten.
Folgen der Proteste
Durch die Art der Proteste entstehen hohe Kosten und andere negative Folgen. Gemälde oder deren wertvolle, antike Rahmen wurden beschädigt, weil sich Protestierende an sie geklebt oder sie beschmiert hatten. Die Restaurierungen sind teuer. Im Oktober 2022 klebten sich in Dresden zwei Aktivisten an den Rahmen eines Gemäldes. Die Reparatur des Rahmens und die temporäre Schließung der Galerie verursachten einen Schaden in Höhe von etwa 12.000 Euro (Artikel des MDR). Auch einige Veranstaltungen, wie z. B. Bundesligaspiele (Artikel von n-tv) wurden gestört.
Letztes Jahr im November gab es einen etwas größeren Skandal, als in Berlin eine Radfahrerin starb, angeblich, da ein Rettungsfahrzeug, das durch einen Klimaprotest im Stau stand, zu spät eintraf. Durch diese Aktion entstand sehr viel Hass gegen die Letzte Generation und es gab sogar Forderungen nach einem Verbot. Es stellte sich aber heraus, dass das blockierte Rettungsfahrzeug letztlich auch nicht geholfen hätte (Artikel des RBB). Laut der Letzten Generation versuchet die Gruppe bei Protesten dieser Art eine "Rettungsgasse" für Fahrzeuge der Feuerwehr, Rettung, und Co. freizuhalten. Die häufigsten Folgen der Protestaktionen sind deshalb Staus, Verspätungen im Berufsverkehr oder notwendige Reinigungsarbeiten.
Gleichzeitig gibt es aber auch für die Protestierenden selbst weitreichende Folgen. Nach einer Protestaktion in Berlin wurde ein Student zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.350 Euro verurteilt (Artikel des ZDF). Nach einer Reihe von Aktionen in Flughäfen (Blockade der Start- und Landebahnen) versuchen einige Fluggesellschaften die Letzte Generation auf einen Schadensersatz zu verklagen, teils in Millionenhöhe (Artikel des ZDF). Darüber hinaus gab es auch schon einige Haftstrafen. Und nicht zuletzt werden auch immer wieder Protestierende bei diesen Aktionen verletzt, entweder durch Autofahrer oder aber auch von der Polizei.
Wie reagiert die Politik?
Ein Hauptgrund für die Proteste ist die aktuelle Bundesregierung, die aus den Augen der Letzten Generation zu wenig für den Klimaschutz tut. Es gibt in Deutschland seit 2019 das Klimaschutzgesetz. Dieses besagt, dass über die Jahre die Emissionen der Bundesrepublik Deutschland deutlich sinken müssen und 2045 die "Netto-Treibhausgasneutralität" (keine zusätzlichen Treibhausgase in die Atmosphäre) erreicht werden muss. Doch die jetzige Bundesregierung verstößt gegen dieses Gesetz, vor allem in den Bereichen Verkehr und Gebäude (Artikel der Tagesschau). Im Verkehrsbereich liegt das vor allem am fehlenden Ausbau der Bahn und dem großen Fokus auf das Auto. Im April nahm die Regierung eine Reform vor, welche das Verhalten des Verkehrsministers Volker Wissing weiter möglich macht: Früher musste jeder einzelne Sektor (Energie, Verkehr, Gebäude und Co.) eine bestimmte Menge CO₂ einsparen, nun gibt es ein gemeinsames Einsparziel, das heißt, dass das Verkehrsministerium seine Maßnahmen nicht weiter verschärfen muss, wenn andere Sektoren mehr CO2 einsparen. Somit wurde auch ein sonst verpflichtendes Sofortprogramm zur Einsparung von Emissionen nichtig (Artikel des ZDF).
Alle Parteien der Bundesregierungen sind nicht gut auf die Letzte Generation zu sprechen, selbst die Bundestagsfraktion der Grünen kritisierte deren Vorgehen (Artikel des Spiegels). Aus der Opposition kommt sogar noch größerer Ablehnung:: „Das sind keine Klimaaktivisten, das sind kriminelle Straftäter“, so Friedrich Merz, Bundesvorsitzender der CDU (Quelle). In Bayern reagierte Markus Söder ähnlich. Anfang des Jahres wurde eine Gruppe Protestierender für 30 Tage in Präventivhaft genommen. Präventivhaft ist für Menschen gedacht sein, von denen eine große Gefahr für Volk und Staat ausgeht. Die Linke klagte dagegen.
Meine Meinung
Ich denke, dass die Beweggründe hinter den Protesten verständlich sind. Fakt ist für mich, dass die Politik bei weitem nicht genug für den Klimaschutz tut. Gleichzeitig werden geltende Gesetze von der aktuellen Regierung nicht eingehalten, in einigen Fällen sogar abgeändert, um das eigene Verhalten zu legitimieren. Die verschiedenen Bundesministerien verfehlen ihre Klimaziele, vor allem der Verkehrssektor ist stark betroffen. Unter Verkehrsminister Volker Wissing ist bis jetzt zu wenig für die Verkehrswende getan worden und dank der starken Automobillobby wird sich das auch in der nächsten Zeit wohl kaum ändern. Gleichzeitig ist keine der großen Parteien in Deutschland konsequent genug beim Klimaschutz und in der Ampel-Regierung setzten die Grünen ebenfalls zu wenig um.
Ich finde die Art der Proteste sehr fragwürdig. Indem man die Bevölkerung nervt und beeinträchtigt, rückt man die komplette Klimaschutzbewegung in ein schlechtes Licht. Mit ihren Protestaktionen hat sich die Letzte Generation bei einem Großteil der Bevölkerung unbeliebt gemacht, denke ich. Wenn man ein breites Verständnis für seine Bewegung erreichen will, muss man aber mit den Bürgern arbeiten und nicht gegen sie. Sonst wirkt es schnell so, als ob sich die Proteste - vor allem die Straßenblockaden - direkt gegen die Bürger und nicht gegen die Politik richten. So erreicht man meiner Meinung nach nur, dass die Leute den Klimaschutz nicht ernst nehmen und auch zu Parteien fliehen, die das Bild vermitteln, dass man beim Klimawandel gar nicht so viel tun müsse. Das spielt Populisten direkt in die Hände!
Man muss aber den Demonstranten der Letzten Generation zugutehalten, dass sie sehr mutig sind. Sich auf eine stark befahrene Straße festzukleben und der Wut der Autofahrer und gleichzeitig den rechtlichen Folgen durch die Justiz auszusetzen, braucht schon viel Überwindung und Überzeugung. Ich hatte schon Angst, mich für das Titelbild auf den Radweg zu setzen - an einem richtigen solchen Protest teilzunehmen, könnte ich mir nicht vorstellen.
Meiner Meinung nach wäre es sinnvoller, regionale Themen anzusprechen, damit die Leute realisieren, dass der Klimawandel auch sie betrifft. Das könnten Themen wie Bodenvertrocknung, Waldsterben oder auch das Insektensterben sein. Gleichzeitig kann man auch über Methoden sprechen, die dagegen helfen. Dadurch entsteht eine Nähe zu den Bürgern und so bekommt auch deren Unterstützung.
Ich denke, dass wir definitiv mehr für den Umweltschutz machen müssen. Falls die Politik diesen vernachlässigt, sind Proteste angebracht.
Jedoch muss man aber auch bedenken, wie diese Proteste nach außen wirken. Die Art und Weise der Letzten Generation schadet der Bewegung eher als dass sie etwas nützt.
Man kann sich auch engagieren, anstatt nur zu demonstrieren.
Es gibt viele Vereine, die händeringend nach Unterstützung bei ihren Umweltprojekten suchen, u. A. der WWF oder der NABU.