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Foto: Ein Spielzeug-Bus im Stil eines amerikanischen Schulbusses vor einer Wand aus Büchern der Duden Reihe

Kurz vorm Crash | Foto: aROund

 

Meinung von Franzi
Bereich
Politik
Veröffentlicht
04.06.2020

Schulbus mit Coronateralschaden

Meinung von Franzi

 

Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich habe das Gefühl, mein Schulbus fährt gerade gegen die Wand. Als Schülerin der Abschlussklasse 2020 schaue ich besorgt auf diese Wand, die da planmäßig eigentlich gar nicht sein sollte, und frage mich, ob der Fahrer meines Busses noch rechtzeitig lenken wird, denn dafür bleibt nicht mehr viel Zeit...

Im Alter von ungefähr sechs Jahren fangen wir an, in die Schule zu gehen. Wir steigen in den ersten Schulbus. Von Anfang an ist klar, wo die Fahrt hingehen soll: bis zum Ende der Grundschule, also bis zum Übertritt an eine nächsthöhere Schule. Die vier Jahre bis wir dieses Ziel erreichen, verbringen wir meist in ein und demselben Bus. Manche Mitschüler steigen in andere Busse um und jedes Jahr steigen einige Lehrer ein und aus, doch die Fahrtrichtung bleibt immer dieselbe und Jeder kennt das Ziel der Reise.

 

Nach der vierten Klasse beginnt das erste große Umsteigen. Erstmals ist nicht exakt festgelegt, wohin genau die Fahrt gehen wird. Es ist lediglich klar, dass sie noch nicht zu Ende ist.

Die Schüler legen ihr nächstes Reiseziel fest und auch den Weg, auf dem sie es erreichen wollen. Dabei werden sie bunt durchgemischt, denn es gibt in Deutschland und vor allem in Bayern die verschiedensten Reisepläne für Schüler. Ich selbst bin mit dem Ziel „Abitur“ in den Bus „Gymnasium“ eingestiegen und dann über den Umweg „Wirtschaftsschule“ mit dem Ziel „Mittlerer Bildungsabschluss“ im Bus „FOS“ gelandet. das war zwar eine eher unübliche Reiseroute, jedoch wusste ich zu jedem Zeitpunkt, in welche Richtung ich unterwegs bin, wie die Endstation meiner Mitfahrgelegenheit aussehen würde und wann ich gegebenenfalls aus- beziehungsweise umsteigen müsste.

 

Vor einigen Wochen hat sich das grundlegend verändert… Im Februar wurde zwar im Klassenzimmer der ein oder andere „Corona-Witz“ laut, doch mehr Aufmerksamkeit widmeten wir diesem Thema nicht. Erst als wir im März aus den Faschingsferien zurückkamen, fing unser Bus an, komische Geräusche zu machen. Es klang, als würde er kaputt gehen und das ausgerechnet jetzt, wo wir auf der Zielgeraden waren! Einige Schüler, unter ihnen auch ich, wurden auf Grund von Kleinigkeiten wie eines Niesens für eine Woche von der Schule suspendiert.

 

Seit dem 16. März funktioniert der Bus kaum mehr. Die meiste Zeit stehen wir oder kommen zumindest nur sehr langsam voran. Jeder kümmert sich um seine eigenen Angelegenheiten. Unsere Lehrer unterstützen uns dabei, manche mehr manche weniger. Die letzten Jahre stand auf meinem Bus immer „Abitur“… Seit unser Bus kaputt ist, steht da nur noch „Betriebsfahrt“ und keiner weiß mehr so genau, wohin wir unterwegs sind.

 

Ich habe mir nie Gedanken gemacht, wer diese Schulbusse fährt. Es gab schließlich auch nie ein Problem. Mein derzeitiger Fahrer scheint jedoch irgendwie vom Weg abgekommen zu sein. Er fährt den schrottreifen Bus trotz aller Widrigkeiten vorbildlich immer weiter, doch keiner weiß wohin. Auf Nachfragen von uns Schülern antworten unsere Lehrer nur: „Das erfahrt ihr noch rechtzeitig.“ Allerdings glaube ich langsam, dass sie das nur sagen, weil sie selbst keine Ahnung haben und hoffen, dass sich das Problem von allein löst und wir auf wundersame Art und Weise ein ganz normales Abitur schreiben können.

 

Ich sitze zum ersten Mal in einem Bus, dessen Ziel ich nicht kenne und zu allem Überfluss ist er auch noch kaputt. Erschreckenderweise sollte dies eigentlich der Bus sein, der mich zu meinem großen schulischen Endziel bringt. Diese Situation verunsichert mich. Es ist nicht nur die Tatsache, dass ich nicht weiß, ob ich die Prüfungen an besagter Endstation meistern kann, ich weiß nicht einmal, wo diese Station sein wird und was mich dort erwartet.

 

Diese Fahrt wäre für mich und viele meiner Mitschüler bestimmt nur halb so schlimm, wenn wir endlich genaue Aussagen zu den Umständen unserer Reise und vor allem deren Ziel erhalten würden. Wir wissen aktuell nur, dass wir eine Verspätung von ungefähr drei Wochen haben.

 

Im Klartext schwirren mir folgende Fragen im Kopf herum:

 

  • Wie sollen alle Schüler während der Prüfungen den Sicherheitsabstand einhalten?
  • Werden wir an verschiedene Prüfungsorte verteilt und wenn ja, wo schreibe ich meine Prüfungen?
  • Wie wird das Unterrichtschaos der letzten Wochen berücksichtigt?
  • Schreiben wir wirklich alle gleichzeitig oder muss ich mit einem ähnlichen Schichtmodell wie bei der mündlichen Englisch-Prüfung rechnen? Dann wüsste ich nämlich gerne, wann genau ich meine Prüfungen schreibe.

Mein Appell an alle Busfahrer, wer auch immer unsere Busse gerade fährt, ist es, allen Reisenden bitte möglichst schnell ihre Unsicherheit zu nehmen. Wir haben keine Zeit mehr um auf „rechtzeitige“ Infos zu warten!

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