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Foto mit Filter: Eine abstrakt gepixelte Prideflag in Regenbogebfarben

Prideflag | Foto: Kiara

Artikel von Patsy
Bereich
Politik
Veröffentlicht
15.04.2021

Das Queerformat - Diskriminierung der Regenbogencommunity

In Deutschland sind zumindest auf dem Papier alle gleich. Aber wie ist das wirklich? Leben wir Gleichberechtigung auch? Diese Frage habe ich 3 Jugendlichen der LGBTQIA+ - Community im Landkreis Rosenheim gestellt.

Knapp ein Drittel aller polnischen Städte und Regionen haben sich zur „LGBT-freien Zone“ erklärt, schreibt der rbb in dem Artikel "Polen schafft "LGBT- freie Zonen" -  Städtepartner schauen weg". Das erinnert mich doch stark an die „Juden-freien Zonen“ des dritten Reichs. Homosexualität ist in 69 Ländern strafbar, in 6 steht auf gleichgeschlechtliche Liebe die Todesstrafe. Darunter Länder, wie der Iran, der Jemen oder Saudi-Arabien. Der Sudan schaffte die Todesstrafe erst im Juli 2020 ab.

 

 

Aber in Deutschland ist das anders. Oder? 

 

Es gibt die Ehe für alle und man darf sich in der Öffentlichkeit mit seinem*r Partner*in  zeigen, ohne etwas befürchten zu müssen. So sollte es zumindest sein. Um herauszufinden, ob das wirklich so ist oder ob auch in Deutschland queere Menschen diskriminiert werden, habe ich mich mit drei queeren Teenagern aus dem Landkreis Rosenheim getroffen.

 

Xenja ist 15 Jahre alt und seit über einem Jahr in einer Beziehung mit einer gelesenen Frau. Das heißt, in Wahrheit ist Xenjas Partner*in nonbinär, weder Frau noch Mann. Kein er, keine sie. Im deutschen gibt es verschiedene Pronomen für nonbinäre Personen, für diesen Artikel entschied ich mich für das Pronomen „ey“. Ey möchte in diesem Artikel anonym bleiben. Ey beschreibt sich selbst als pansexuell und agender.

Neben dem Pärchen habe ich mich außerdem mit Kiara unterhalten. Kiara ist 16 Jahre alt. Auch wenn sie allgemein nichts davon hält, ihre Sexualität genau zu benennen, spricht sie der Einfachheit halber oft davon, lesbisch zu sein.

In unserer Gesellschaft ist LGTQ+ ein Tabuthema.

 

Es wirkt zumindest so. Meine Interviewpartner*innen erzählten alle davon, dass es schwer ist, sich als queer zu identifizieren, wenn eine Gesellschaft derart heteronormativ geprägt ist wie die unsere. „Es wird einem in gewisser Weise eingehämmert, dass es nicht normal ist. Wenn denn überhaupt mal darüber gesprochen wird“, erklärt mir Xenja. Begriffe wie „schwul“ werden oft in einen beleidigenden Kontext gesetzt. Und Wörter wie „Kampflesbe“ gelten als adäquate Personenbeschreibungen. „Man denkt sich: So will ich nicht sein“, sagt Kiara. Es ist also in keinster Weise so, dass Homosexualität bei uns als normal angesehen wird. Für mich wurde das am deutlichsten, als wir über Xenjas Beziehung sprachen.

 

Xenja berichtet mir von argwöhnischen Blicken, wenn sie und ihr*e Partner*in in der Öffentlichkeit Händchen halten oder sich küssen. An dieser Stelle wird sie von ihrer*m Freund*in unterbrochen: „Ja, aber daran habe ich jetzt gar nicht gedacht, das ist mittlerweile normal.“ Nichts zeigt mir in unserem Gespräch so deutlich, wie wenig die LGBTQIA+-Community in unserer Gesellschaft doch akzeptiert wird. Es interessiert sich keiner für ein küssendes Pärchen, wenn es sich dabei um Mann und Frau handelt, aber bei jedem anderen Pärchen wird komisch geguckt. Und das sind keine Einzelfälle. Die Diskriminierung ist derart weit verbreitet, dass die Betroffenen ihr im Alltag schon gar keine Beachtung mehr schenken. Man denkt meist zuerst an jene Menschen, die Homosexualität als Geisteskrankheit einstufen, an gesetzliche Hürden, wie das Verbot der Blutspende für homosexuelle Männer, das in Deutschland gilt, aber nicht an alltägliche Diskriminierung, in Form von komischen Blicken und Getuschel.

Es gibt auch extremere Formen der Diskriminerung, ...

 

... weiß mein*e anonyme*r Interviewpartner*in zu erzählen. „Ich traf mal auf einen älteren Herren, der meinte, ich sei widerwärtig und geisteskrank. Er sagte damals, man solle mich einweisen lassen“, erzählt mir ey. Und auch Kiara musste sich bereits mit offenem Hass auseinandersetzen. Sie berichtet von einem Mitschüler, der sich offen homophob äußerte und sie zum Selbstmord aufforderte.

 

Auch innerhalb der eigenen Familie müssen sich Angehörige der LGBTQIA+ -Community immer wieder für ihre Sexualität oder ihr Geschlecht rechtfertigen. Xenja verriet mir, dass in ihrer Familie trotz angeblicher Akzeptanz immer wieder unpassende Kommentare fallen würden und das obwohl sie vor ihrem Vater noch nicht einmal geoutet ist. Ihr*e Partner*in hat solche Erfahrungen auch schon gemacht. „Meine Eltern ignorieren es, dass ich mich nicht mit weiblichen Bezeichnungen und Charakteristika identifiziere. Sie sprechen von ihrer Tochter, nicht von ihrem Kind. Sie akzeptieren mich nicht, obwohl sie das vorgeben. Sie tolerieren mich nur.“ Lediglich Kiara konnte davon erzählen, dass ihre Familie keine Probleme mit ihrer Sexualität hat. Auf die Frage, weshalb man sich denn überhaupt noch outet, antwortenten alle drei gleich: Outet man sich nicht, gilt man als hetero und solange sich das nicht ändert, ist es leider notwendig, offen einmal zu sagen: „Ich bin queer“.

Unser Fazit:

 

Wir sind gesellschaftlich noch nicht an dem Punkt, an dem wir alle Geschlechter und alle Sexualitäten als natürlich und gleichwertig ansehen. Das wurde mir in diesen Gesprächen deutlich. Alle Interviewpartner*innen wünschen sich daher das gleiche: Wir sollen über die Thematik sprechen, wir müssen die LGBTQIA+ -Community salonfähig machen. Weg von Rollen und Geschlechterklischees, weg von der Frage „Wer ist der Mann und wer die Frau in der Beziehung?“ und weg von der strikten Einteilung in zwei Geschlechter. Wir sollten das Thema in der Schule behandeln und nicht einfach totschweigen.

 

Unsere Mitmenschen sind genau das: Menschen. Unabhängig von Sexualität, Geschlecht, Hautfarbe oder Ethnologie und nicht anders sollten sie behandelt werden! In einer zukunftsfähigen Gesellschaft haben Hass und Diskriminierung keinen Platz.

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