zum Inhalt
Das Foto zeigt Franzi in einem Garten, die von einem großen Rucksack nach hinten gezogen wird.

Schwer zu schleppen | Foto: Thomas

Artikel von Franzi
Bereich
Wissen
Veröffentlicht
12.07.2022

Lebensverändernde Langzeitfolgen – Nach Corona ging´s bei mir erst richtig los

Da saß ich dann und fühlte mich wie vom LKW überrollt. Ich, 21 Jahre alt, darf nicht den geringsten Sport machen, weil ich sonst bleibende Herzschäden davontrage. Nur ein kleiner Sprint könnte mein Leben für immer verändern! Dieser Gedanke schwebt nach wie vor wie eine Wolke über mir.

Die tatsächliche Corona-Erkrankung selbst dauerte bei mir nur wenige Tage und war meines Erachtens recht harmlos. Doch als der Husten und die Erschöpfung nicht nachließen, bin ich zu meiner Hausärztin gegangen. Sie hat mich abgehorcht und daraufhin von einem Lungenfunktionstest abgesehen. Ihrer Meinung nach war ich dazu aktuell nicht in der Lage. Sie hatte recht, aber diese Tatsache traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Sie erklärte mir ganz vorsichtig und kleinschrittig, dass meine Lunge verhärtet ist und auf mein Herz drückt und ich wahnsinnig aufpassen muss. Sie meinte, ich dürfe zwar „schneller“ zum Zug gehen, aber nicht „schnell“, das wäre zu anstrengend.

 

 

Wer nicht hören will muss fühlen
_

 

„Das wird schon wieder!“, dachte ich mir und bin am nächsten Tag in die Hochschule gefahren. Das war der einzige Tag, an dem ich erst eine Präsenzveranstaltung und anschließend eine Online-Veranstaltung habe. Das bedeutet, dass ich nach der Präsenzveranstaltung schnell los muss, um alle meine Anschlusszüge zu erreichen, damit ich die Online-Veranstaltung zu Hause mitmachen kann. Natürlich hatte mein Bus von der Hochschule zum Bahnhof Verspätung. Ich habe daraufhin einen späteren Zug zum Hauptbahnhof nehmen müssen und die Umsteigezeit dort war sehr knapp. „Kein Problem, ich habe das auch schon in weniger Zeit geschafft“, dachte ich mir, aber da lag ich falsch. Ich bin also zuerst schneller durch die Bahnhofshalle gegangen und anschließend die letzten Meter zum Zug gelaufen. Meine Lunge fühlte sich an wie aus Blei. Mir wurde schwindlig beim Laufen und mehr durch Glück als durch sonst irgendwas bin ich gerade noch rechtzeitig durch die sich schließenden Tür in den Zug gehüpft. So wackelig wie ich unterwegs war und so schwindlig wie mir war hätte es mich auch nicht gewundert, wenn ich mit Schwung gegen den Zug gelaufen wäre, weil ich nicht mehr genau erkennen konnte, wo die Türen überhaupt sind.

 

Das hat mich wahnsinnig irritiert. „Was ist denn nun los?!“ Ich habe mich auf den nächstbesten Platz gesetzt und geatmet - sofern man das so nennen kann. Durch die FFP2-Maske habe ich kaum Luft bekommen. Ungefähr eine dreiviertel Stunde habe ich vor mich hin gekeucht und mich nicht von den 20 Metern erholt, die ich zum Zug gelaufen war. Der Schwindel ließ schon ein bisschen früher nach. Als ich dann zum Glück noch rechtzeitig zu Hause ankam, bin ich nach meiner Online-Veranstaltung sofort ins Bett gegangen. Ich war so müde, wie ich es sonst nur kannte, wenn ich den ganzen Tag unterwegs gewesen war und mich körperlich betätigt hatte, wie beispielsweise beim Wandern.

 

 

Mein Leben ist nicht mehr so wie es davor war
-

 

In den folgenden Tagen brachte mich schon der nicht einmal zwei Meter lange Weg von meinem Schreibtisch zu meinem Bett zum Keuchen, wenn ich zu schnell ging. Wenn ich mit FFP2-Maske in den dritten Stock meiner Hochschule will, kostet mich die Treppe dorthin mindestens 20 Minuten. Ich fahre jetzt immer mit dem Aufzug, weil ich zwischen den Veranstaltungen die Zeit gar nicht habe, die Stufen nach oben zu kriechen. Sogar Referate, die länger als ein paar Minuten dauern, verursachen bei mir Atemnot und erst letzte Nacht, hatte ich solche Schwierigkeiten mit dem Atmen, dass ich trotz Notfallspray befürchtet habe, ich würde, ohne dass jemand davon Notiz nimmt, alleine im Dunkeln ersticken. Ich hatte nicht mal genug Kraft zu weinen und meine Lunge fühlte sich an, als würde ein großer Pflasterstein auf ihr liegen, der verhindert, dass Luft hineinströmt.

 

Außerdem habe ich neben den Lungenproblemen wahnsinnige Konzentrationsschwierigkeiten. Ich kann mich nach wie vor maximal drei Stunden am Stück konzentrieren, meistens sind es sogar weniger als zwei. Länger andauernden Vorlesungen kann ich nicht folgen und bin auch nicht in der Lage den Stoff nachzuarbeiten. Das liegt auch daran, dass ich mindestens zehn Stunden Schlaf pro Tag bräuchte. Vor meiner Corona-Infektion reichten mir sechs bis sieben Stunden vollkommen. Da ich jetzt permanent zu wenig Sauerstoff bekomme, bin ich ständig müde. Weil mich jede Bewegung, insbesondere jede Stufe, unfassbar anstrengt, bin ich ständig erschöpft. Und weil ich mich auf nichts konzentrieren kann - nicht mal aufs Fernsehen - weiß ich auch oft keine sinnvollere Beschäftigung als mich zu erholen und zu schlafen. Das führt dazu, dass ich viel unproduktiver bin als zuvor, was mich sehr einschränkt.

 

 

Die Hoffnung stirbt zuletzt
-

 

Ich bleibe optimistisch, dass ich irgendwann wieder ganz gesund werde, doch für den Moment fühlt es sich so an, als wäre ich auf einen Schlag 60 Jahre gealtert. Eins kann ich auf jeden Fall sagen: Corona ist keine eigenartige Grippe und wenn mir das jetzt auch nur ein*e Zweifler*in mehr glaubt, dann hat mein Long Covid zumindest einen Sinn.

Zu all meinen Beiträgen
>