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Das Bild zeigt zwei Schnelltest-Kassetten mit positivem Ergebnis auf einem Holztisch.

Doublecheck | Foto: Franzi

Artikel von Franzi
Bereich
Wissen
Veröffentlicht
02.05.2022

Plötzlich positiv!

Der folgende Artikel ist ein reiner Erfahrungsbericht meinerseits. Ich möchte damit nichts herunterspielen oder dramatisieren, sondern Euch lediglich davon berichten, wie ich alles rund um meine Corona-Infektion persönlich wahrgenommen habe und wie es sich angefühlt hat.

Mitte März, kurz bevor das neue Semester losgegangen ist, war der ganze Stress endlich mal kurz vorbei. Ich hatte die meisten meiner Arbeiten fürs Studium abgegeben, ich hatte meinen Stundenplan für das kommende Semester zusammengestellt und ich hatte sogar schon eine Praktikumsstelle für das zu absolvierende Pflichtpraktikum. Das ist für gewöhnlich immer der Moment, in dem ich eine Mandelentzündung oder etwas ähnlich Angenehmes bekomme, da der ganze Stress der vergangenen Wochen dann mit voller Wucht zuschlägt. Folglich hatte ich mir auch nicht viel dabei gedacht, als ich am Samstag ein bisschen heiser war und Kopfschmerzen bekam. Ich habe mich geschont und abgewartet, wie sich das Ganze entwickelt.

 

Schwindende Konzentration
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An diesem Wochenende fand ein digitales Assessmentcenter statt, an dem ich teilgenommen habe. Im Laufe der Meetings merkte ich, dass ich scheinbar etwas „ausbrüte“, wie man so schön dazu sagt, wenn man krank wird. Ich konnte mich immer schlechter konzentrieren und mir fiel insgesamt alles etwas schwerer. Das schien mir allerdings noch recht harmlos. Am Abend habe ich etwas gegen meine beginnenden Halsschmerzen eingenommen und bin früh ins Bett gegangen, weil das Assessmentcenter am folgenden Tag sehr früh weitergehen sollte.

 

Am Sonntag war es dann schon deutlich schwerer aus dem Bett zu kommen. Ich hatte Halsschmerzen, wie das bei mir so oft der Fall ist, und meine Nase lief ein bisschen, was aber auch nicht ungewöhnlich für mich ist, weil ich Heuschnupfen habe. Das Einzelgespräch, dass an diesem Morgen stattfand, lief insgesamt ziemlich gut, obwohl es mich sehr angestrengt hat, ein halbstündiges Gespräch zu führen. Danach habe ich mich wieder schlafen gelegt, weil der zweite und letzte Meeting-Termin erst gegen Mittag war. Körperlich habe ich mich in dieser Zeit gut erholt, doch meine Konzentrationsfähigkeit war im Keller. Ich konnte dem zehnminütigen Vortrag kaum folgen, geschweige denn an der folgenden Diskussion teilnehmen. Dennoch habe ich mich bemüht, da ich schließlich einen guten Eindruck hinterlassen wollte.

 

Negative Schnelltests
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Den restlichen Sonntag und den darauffolgenden Montag habe ich hauptsächlich geschlafen, Tee getrunken und ferngesehen. Am Montag Abend ging es mir schon mehrere Stunden über gut. Seit dem Mittagessen waren mir keine Symptome aufgefallen und ich fühlte mich auch wieder gesund. Es stand die Entscheidung an, ob ich am Dienstag zum Semesterbeginn in meine Hochschule fahren sollte. Meine Corona-Tests waren bisher alle negativ gewesen und solche kurzen gesundheitlichen Durchhänger gab es bei mir immer wieder. Dazu kam, dass das mein erstes Präsenzsemester sein sollte, weshalb der erste Tag für mich etwas sehr Besonderes war, worauf ich schon wochenlang hingefiebert hatte. Ich entschied also, am Dienstagmorgen nochmal einen Test zu machen.

 

Wie gesagt so getan habe ich am nächsten Morgen nochmal in der Nase gebohrt und mich kleinlichst an alle Anweisungen auf dem Beipackzettel gehalten, damit auch ja nichts schiefgeht. Nach 15 Minuten habe ich sogar mit einer Taschenlampe überprüft, ob es wirklich nur ein Strich ist. „Dann ist ja alles ok!“, dachte ich mir und bin in die Hochschule gefahren. Mir ging es zu dem Zeitpunkt schon mehr als einen Tag wieder einwandfrei gut und ich war mir keiner Schuld bewusst.

 

Bohrende Blicke

 

Im Zug musste ich dann einmal kurz husten. Es fühlte sich an, als würden sich die Blicke wie Messer durch meine Brust bohren. Das war schlimmer als jeder Hustenreiz. Von dem Zeitpunkt an habe ich den dadurch immer heftiger auftretenden Hustenreiz unterdrückt. Ich hatte das Gefühl, die Leute um mich sähen mich an als wäre ich ein giftiges Insekt, das sie am liebsten auf der Stelle zerquetschen würden. Es war furchtbar und so sollte es auch weitergehen.

 

Ich war die Erste im Klassenzimmer und setzte mich vorsichtshalber direkt ans Fenster - nicht gerade die intelligenteste Wahl mit Heuschnupfen - doch ich wollte nicht, dass meine KommilitonInnen Angst vor mir haben müssen. Der Dozent hatte uns erlaubt, die Masken abzunehmen. Alle anderen hatten das auch getan, nur ich nicht, weil ich nicht wollte, dass sich jemand unwohl fühlt. Wie hätte es anders sein können? Auch während der Vorlesung kam der Hustenreiz zurück. Diesmal war er so stark, dass ich tatsächlich einige erstickte Hustgeräusche von mir gab. Wieder spürte ich die kalten scharfen Blicke in meinem Rücken. „Ich darf nicht husten! Ich darf nicht krank sein! Was bin ich nur für ein schlechter Mensch?!“

 

Aufgestaute Emotionen
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Ich verließ das Klassenzimmer und sperrte mich in der Toilette ein. Zwar konnte man mich immer noch hören und ich fühlte die hasserfüllten Blicke durch den Raum zischen, aber sie konnten mich nicht mehr so treffen, weil man mich nicht sehen konnte. Ich hustete einige Male. Als ich der Meinung war, dass es mir nun wieder besser ging, lief ich zurück ins Klassenzimmer. Das Ganze war mir so unendlich unangenehm. Nur wenige Minuten später ging der ganze Spaß wieder von vorne los und ich lief wieder zur Toilette. Diesmal brach ich in Tränen aus, als ich die Kabine verschlossen hatte. Der Druck war einfach zu groß. Es schien nicht mehr ok auch nur kleinste gesundheitliche Mängel aufzuweisen. Das war wie ein Anschlag auf das Leben aller, die meinen Weg kreuzen. „Aber ich hatte doch immer aufgepasst. Mein Test war negativ! Was hätte ich denn noch tun sollen? (Heu-)Schnupfen habe ich den ganzen Sommer über. Schließt mich das aus der Gesellschaft aus?“ Ich ging nach einigen Minuten niedergeschlagen zurück zum Klassenzimmer und wartete vor der Tür, bis der Dozent eine Pause machte. Das hatte er angekündigt kurz bevor ich seine Veranstaltung zum zweiten Mal verlassen hatte. Als die Tür sich öffnete ging ich zu ihm und erklärte ihm die Situation. Er meinte, das sei alles vollkommen in Ordnung und ich solle mir nicht so viele Gedanken machen. Auch meine KommilitonInnen haben mir aufmunternd zugesprochen. Von da an, war auch der Husten wieder weg. Der Druck zuvor, nicht krank sein zu dürfen, hatte ihn verstärkt und so schnell wie er gekommen war, war er nun auch wieder verschwunden. Ich bemerkte auch, dass mich niemand tatsächlich böse anguckte, sondern dass sich das alles in meinem Kopf abgespielt hatte.

 

Zwei rote Striche
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Als ich am Abend fast schon meinen Frieden mit der Situation gefunden hatte, fühlte sich meine Zunge etwas komisch an beim Essen. Aus purer Paranoia habe ich also noch einen Corona-Test gemacht. Innerhalb weniger Sekunden färbte sich der erste Strich rot. „Der erste? Nein! Das kann nicht sein! Vor wenigen Stunden war noch alles in Ordnung!“ Doch auch der zweite Strich wurde wenige Augenblicke später rot. „Vielleicht ist das ein Irrtum?“ Doch auch der zweite Test war positiv.

 

„Das kann nicht sein!“ Ich konnte es nicht glauben. „Wen habe ich heute umgebracht? Ich habe Corona. Wie kann das sein? Seit zwei Jahren fürchte ich mich davor und tue alles in meiner Macht stehende, um mich und meine Lieben zu schützen. Habe ich sie jetzt alle auf dem Gewissen? Ich bin eine Waffe, eine tödliche Waffe. Habe ich überhaupt noch ein Recht zu leben?“ Ich stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Ich konnte nicht einmal weinen. „Was war da nur gerade mit mir passiert?“

 

Mensch oder Monster?
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Es dauerte eine Weile, bis ich verstanden hatte, dass auch Corona-Positive immer noch Menschen sind und dass ich kein schlechter Mensch bin, weil ich mich infiziert habe. So ganz habe ich das glaube ich aber immer noch nicht verinnerlicht. Dafür ist die Angst vor dem Virus einfach zu groß. Es ist ein riesiges Feindbild geworden, dass Infizierte zu Monstern macht.

 

Wie einigen von Euch vielleicht schon aufgefallen ist, ist meine Corona-Erkrankung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung schon eine Weile her. Tatsächlich habe ich kurz nachdem ich wieder gesund war mit dem Verfassen dieses Artikels begonnen, doch ich habe nach wie vor mit einigen Langzeitfolgen wie zum Beispiel Konzentrationsschwierigkeiten zu kämpfen, weshalb ich mehr als einen Monat für diese Artikel gebraucht habe. Darüber berichte ich Euch gerne in einem zweiten Text, der sehr bald folgen soll.

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