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Foto: Ein Zettel auf den "Willst du mich wählen?  Ja oder nein aber ja zu 99,9%   Deine SED" steht und abgebildet ist das Wappen der DDR und die Farben schwarz, rot, gold

Ein Wahlzettel aus der DDR? | Melina

Artikel von Melina
Bereich
Wissen
Veröffentlicht
14.09.2024

DDeRleben - Wahlen

Was wenn bei einer Wahl zwar eine Partei die meisten Stimmen bekommt, sich aber die anderen zusammentun, damit diese nicht regieren kann? Das klingt vielleicht unfair, ist aber auch Demokratie. Im Bundesland Thüringen, das ein Nachbar von Bayern ist, möchte keine Partei mit der AfD zusammenarbeiten. Damit wollen sie die Demokratie schützen. Das ist alles ziemlich kompliziert – viel komplizierter als vor 40 Jahren, als Thüringen noch zur DDR gehörte. Damals stand nämlich nur eine (!) Partei auf dem Wahlzettel. Aber war das gut?

Über die Wahlen in der DDR habe ich in der Schule gelernt, dass sie „nicht frei“ waren und auch „nicht geheim“.

 

Aber ich wollte wissen, wie es die Leute damals wirklich wahrgenommen haben. Als ich diesen Sommer wenige Tage vor den Landtagswahlen in Thüringen meine Verwandtschaft dort besucht habe und sich sowieso schon viele Gespräche um das Thema Wahlen drehten, habe ich die Gelegenheit genutzt, um Antworten auf meine Fragen zu finden.

Gab es in der DDR auch Briefwahlen?

Das habe ich meine Oma und ihre Freundin Heike gefragt. "Da kann ich mich gar nicht richtig dran erinnern, aber ich denke, ja. Das muss es eigentlich gegeben haben, damit auch Personen, die im Urlaub waren, mitwählen konnten", so die Meinung von Heike. Meine Oma dagegen meinte: "Ich glaube nicht, dass es sowas gab. Ich denke, dass sich manche sogar mit Absicht in diesem Zeitraum freigenommen haben, um nicht wählen zu müssen". 

 

Das sind zwei sehr gegenteilige Aussagen und sicher waren sich beide ja auch nicht. Deswegen habe ich das mal recherchiert: Eine Briefwahl gab es anscheinend wirklich nicht, aber dafür gab es die so genannten Fliegenden Urnen. Das waren Trupps von Wahlhelfern, die zu Kranken oder Älteren nach Hause gingen, damit diese Personen ihre Stimme zuhause abgeben konnten. Später wurden wohl auch Wahlverweigerer von diesen Trupps aufgesucht, in dem Versuch, die Wahlbeteiligung hoch zu halten. (Quelle zu den Fliegenden Urnen: Nordwest Zeitung)

Besuch Zuhause

Auch Heike wurde einmal von Wahlhelfern zuhause aufgesucht. "Ich hatte wegen der Wahlen Nachtschicht gehabt - wir hatten sonst nie Nachtschicht und ich weiß auch nicht mehr, warum es da so war... Jedenfalls habe ich mich nach der Nachtschicht erstmal hingelegt und dann noch etwas zu erledigen gehabt. Ungefähr um 14 Uhr hat es dann an der Tür geklingelt. Vor der Tür standen zwei Männer, die mir sagten, ich müsse noch wählen gehen. Ich habe ihnen dann gesagt, ich würde schon noch hingehen. Später im Wahllokal wurde ich nicht einmal nach dem Ausweis gefragt. Die wussten genau wer ich bin und haben mich schon erwartet."

 

Ich war etwas schokiert darüber, dass damals so genau Buch geführt wurde, wer schon gewählt hat und wer sich drücken will. Das würde heute in Deutschland gar nicht gehen. Auch wenn es aktuell zum Beispiel in Belgien eine Wahlplicht gibt, bei der dann auch festgehalten werden muss, wer zur Wahl kommt und wer nicht erschienen ist. (Quelle zur Wahlplicht: ZDF

Alles manipuliert

Meine Oma hat in unserem Gespräch auch erzählt: "Jeder wusste, dass die Wahlergebnisse geschönt waren. Die SED hätte sowieso die Mehrheit gehabt, es gab ja nichts anderes. Trotzdem haben sie immer 99,9% der Stimmen gehabt. Ich habe davon gehört, dass manchmal ganze Dörfer die Wahl verweigert hatten und dennoch die Wahlbeteiligung bei 99,9% lag. Irgendwann haben das dann die Oppositionsgruppen überprüft."

 

Auch das habe ich mal geprüft. Bei den Wahlen 1989 konnte tatsächlich Wahlfälschung durch unabhängige Beobachter festgestellt werden. Es wurden zum Beispiel "Nein" Stimmen als Zustimmung gewertet. Diese Wahl war übrigens die erste in der DDR, in der Unabhängige die Stimmauszählung überwachen konnten. Daher konnte die Wahlfälschung erst zu diesem Zeitpunkt nachgewiesen werden. (Quelle zur Wahlfälschung: Bundeszentrale für politische Bildung)

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