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Foto: Kleiner. vollgestellter Schreibtisch mit Laptop und Notitzblock drauf

Hörsaal mal anders | Foto: Melina

Artikel von Team aROund, Ann-Katrin, Melina
Bereich
Wissen
Veröffentlicht
20.12.2021

Ist online Studieren wie Homeschooling?

Wir hatten echt Glück! Glück unser Studium tatsächlich an einer Hochschule beginnen zu können, mit allem was dazu gehöhrt: Auf einem unübersichlichen Campus, in riesiegen Hörsälen, gefüllt mit bald hundert Erstis wie uns. Doch dann hat die Pandemie unsere Hoffnungen auf ein komplettes Semester in Präsenz zunichte gemacht. Unsere Hochschulen haben wieder auf "online Lehre" umgestellt. Doch was bedeutet das für uns? Werden wir mit dieser Herausforderung klarkommen nach den doch recht schlechten Erfahrungen, die wir mit dem Distanzunterricht in der Oberstufe gemacht hatten? Wird das online Studium besser als das Homeschooling? 

Wie sich für uns das Studieren innerhalb kürzester Zeit verändert hat, wollen wir euch heute erzählen.

Studieren - Jetzt doch Zuhause? (Ann-Katrin)

Ende 2021

Jetzt bin ich schon fast 3 Monate an der HSWT in Freising und habe mich gut an den Studenten-Alltag gewöhnt. Naja, das frühe Aufstehen fällt mir immer noch nicht leicht, aber das war schon in der Schule so... Die Professoren sind sehr nett und ich komme gut mit. Auch mit meinen Kommilitonen verstehe ich mich sehr gut und ich habe schon einige Freundschaften schließen können. Jetzt über Weihnachten habe ich keine Vorlesungen bis zum 10. Januar. Dann beginnt der Uni-Alltag wieder wie gewohnt... 

Wie gewohnt? Nein, eigentlich war der letzte Monat alles andere als normal. Warum? Ich beginne mal ganz von vorne...

 

Mitte November

Ich kann nicht glauben, dass ich schon über einen Monat studiere. Die Zeit ist wie im Flug vergangen, denke ich auf der Fahrt zur Hochschule. Heute ist Mittwoch und das bedeutet für mich: Früh aufstehen und pünktlich losfahren. Mein Mathedozent mag es nämlich überhaupt nicht, wenn man zu spät zu seiner Vorlesung kommt. Aber auf den Straßen ist wenig los und ich komme gut durch die Stadt. Um Punkt 8 Uhr setze ich mich auf einen der (wirklich unglaublich unbequemen) Stühle im Vorlesungssaal. Während ich noch mein Mathe-Zeug auspacke, spricht mich meine Sitznachbarin an: "Hast du schon gehört, was sie heute früh beschlossen haben?" Zuerst habe ich keine Ahnung wovon sie spricht, doch Momente später habe ich einen Verdacht: Die Inzidenzzahlen sind in den letzten Tagen stark angestiegen... Nein, ich hoffe nicht, dass es das ist was ich denke. Aber mein Mathedozent lässt diese Hoffnung zerplatzen: "Sehr geehrte Studenten und Studentinnen, dies wird voraussichtlich unsere letzte Mathe Vorlesung in Präsenz sein. Schon ab morgen werden alle Vorlesungen online stattfinden."

- - - Die darauffolgende Stille im Vorlesungsaal ist erdrückend. Toll, das wollte ich wirklich nicht hören! Schon garnicht nach den letzten beiden Schuljahren zuhause... Und genauso genervte, teilweise sogar traurige Gesichtsausdrücke sehe ich auch auf den Gesichtern meiner Kommilitonen. Nach der letzten Vorlesung, mittwochs immer Physik, bleibe ich noch etwas länger, um mich von meinen neuen Freunden zu verabschieden. Schade, ich werde sie jetzt für eine längere Zeit nicht mehr sehen, denke ich auf der Fahrt zurück zur WG. In der Wohnung angekommen, berichte ich von meinem Tag und dass ich am Wochenende wieder nach Hause fahre, diesmal für eine etwas längere Zeit. Auch Lu und Tom werden in den nächsten Tagen nach Hause fahren und von dort aus weitermachen. Louise und Nikki bleiben in der WG, für sie lohnt es sich nicht nach Hause zu fahren. Zwei Tage später packe ich einen Großteil von meinem Uni-Zeug in mein Auto. Das ist schon recht viel. Ich weiß ja nicht, wie lange ich zu Hause sein werde. Am frühen Nachmittag habe ich alles in mein Auto verfrachtet und gehe noch einmal zurück in mein Zimmer. Noch ein letztes Mal durchschauen, ob ich auch ja nichts vergessen habe... Nein, ich habe alles eingepackt. Bevor ich losfahre verabschiede ich mich noch von jedem meiner Mitbewohner mit einer Umarmung und ich werde traurig. Wer weiß, wann ich sie wiedersehe.

 

Dezember 2021

Nun bin ich schon wieder für ein paar Wochen zuhause und mir sind einige Dinge aufgefallen: Erstens kann ich etwas länger schlafen, da ich morgens nicht zur Uni fahren muss. Zweitens bin ich nicht mehr über eine Stunde von meiner Familie entfernt, was mir sehr wichtig ist, da ich ein großer Familienmensch bin. Andererseits bedeutet Studieren von Zuhause aus aber auch, dass der direkte Kontakt und der Austausch mit den Kommilitonen fehlt. Zuhause vor dem Computer zu sitzen und den Vorlesungen zu folgen ist einfach nicht dasselbe wie im Vorlesungssaal auf den (unbequemen) Stühlen zu sitzen und dem Dozenten zuzuhören. Allerdings gibt es im Vergleich zum ersten Mal Homeschooling im Jahr 2020 hier kein Chaos bei der Umsetzung der Online-Vorlesungen. Meine Dozenten sind recht gut vorbereitet, warscheinlich da sie es vom letzten Jahr kennen. Viele, so auch mein Mathedozent, nutzen ihr (Video)-Material aus dem vergagenen Jahr. Andere wiederum eröffnen Zoom-Meetings und halten so ihre Vorlesungen online. Das finde ich persönlich besser, da ich so viel einfacher Fragen stellen kann und die Antwort darauf auch unmittelbar bekomme. 

 

Mein Fazit

Studieren von Zuhause aus hat so seine Vor- aber auch Nachteile. Im Großen und  Ganzen muss ich sagen, dass ich froh bin, dass ich meine Kommilitonen im Oktober kennenlernen durfte. Der eine Monat hat gereicht, um erste Kontakte zu knüpfen und erste Freundschaften zu schließen. Und darum geht es beim Studieren ja auch, nicht wahr? Trotzdem wünsche ich mir für mein zweites Semester, dass es wieder in Präsenz strattfindet!

Online Studieren? Ob das wohl gut geht? (Melina)

Es ist gerade Mitte November, als ich mich endlich so richtig an den Studienalltag gewöhnt habe. Ich kenne meinen Vorlesungsplan und den Campus jetzt so gut, dass es mir leicht fällt, mich zurechtzufinden. Mit all meinen Dozenten komme ich gut zurecht und es hat sich einfach ein guter Zusammenhalt innerhalb meines Studiengangs entwickelt. Inzwischen hat sich die Zahl der Studierenden in meinem Studiengang bei 57 eingependelt (19 weniger als zu Semesterbeginn), doch auch von denen erscheinen bei weitem nicht alle zu den Vorlesungen. Ein gutes Beispiel dafür ist unser Semestersprecher, der eigentlich nie da ist, aber dennoch für den Studiengang eingeschrieben ist. Insgesamt macht es mir gerade echt viel Spaß zu studieren und mit meinen Komilliton*innen zu quatschen und zu lernen. Von mir aus kann das gerne so weiter gehen! 

 

Doch dann kommt es ganz anders.

Am 18. November erhalte ich eine E-Mail vom Leiter der Fakultät Informatik, in der steht, dass ab dem 22.November alle Vorlesungen online stattfinden. Nur die Übungsstunden dürfen weiterhin in Präsenz abgehalten werden. Davon bin ich zwar nicht gerade begeistert, aber solange ich wenigstens noch die Übungsstunden an der Hochschule habe, kann ich damit leben. Die Übungen leben nämlich von gegenseitiger Hilfe und Austausch zwischen den Studierenden untereinander und auch zwischen den Dozenten und den Studierenden. Aber auch diese Situation bleibt nicht lange so bestehen. Am 23. November wird von der Hochschulleitung bekannt gegeben, dass von nun an alle Vorlesungen und Übungsstunden online gehalten werden müssen und zwar schon ab dem nächsten Tag!

Allgemein kann ich die Entscheidung der Hochschule nachvollziehen, vor allem in Anbetracht der sehr hohen Infektionslage. Trotzdem denke ich mir gerade nur noch: Na toll, mir wurde schon die gesamte Oberstufe mit dem Distanzunterricht versaut und jetzt geht das im Studium auch noch so weiter?! Aber vielleicht kriegt die Hochschule das mit der online Lehre ja besser hin als die Schule - noch ist nicht alle Hoffnung verloren...
Ich bin nicht die einzige, der diese Entwicklung sehr missfällt, auch viele meiner Komiliton*innen und Dozenten beklagen sich darüber. Vorallem die praktisch nicht vorhandene Vorbereitungszeit auf den online Betrieb spielt dabei eine Rolle. 

 

Der erste Tag der Online-Lehre ist ziemlich seltsam. Niemand weiß so richtig, wie es laufen wird und in den Vorlesungen traut sich keiner etwas zu sagen. Man hat niemanden, an den man sich wenden kann, weil man ja alleine vor seinem Computer sitzt. Irgendwie erinnert mich das an den Anfang meines Studiums, wo ich noch das Gefühl hatte, mit der Situation hilflos überfordert zu sein. Doch diese anfängliche Überforderung ist schon am nächsten Tag überwunden, wahrscheinlich vor allem weil wir uns schon in Präsenz kennengelernt haben. Deswegen sehen wir auf dem Bildschirm nicht nur schwarze Kacheln mit irgendwelchen Namen darin, sondern haben zumindest zum Teil Gesichter vor Augen. Dadurch dass wir uns schon kennen, wissen wir auch, an welche Komiliton*innen wir uns bei Fragen zu den einzelnen Vorlesungen wenden können. 

 

Ich merke aber sehr schnell, dass mir ein wichtiger Aspekt des Studiums fehlt: Nämlich der persönliche Kontakt und Austausch mit meinen Komiliton*innen. Vor allem das gemeinsame Lernen in der Zeit zwischen zwei Vorlesungen, das gemeinsame Bewältigen der Übungsaufgaben und sich gegenseitig Unverständliches zu erklären, halte ich für sehr wichtig. Auch einfach in der Pause miteinander zu quatschen und sich manchmal über die vergangene oder bevorstehende langweilige Vorlesung zu beschweren, fehlt mir.

Aber das ganze ist ja auch nicht nur negativ. Ich spare mir die Fahrt nach Rosenheim und damit auch sehr viel Zeit. Das heißt vor allem: ich kann morgens länger schlafen und das ist schließlich immer ein Vorteil. Auch meine Befürchtung, dass mein online Studium genauso ein Desaster wird wie der Distanzunterricht, den ich in der Oberstufe erlebt habe, hat sich nicht bestätigt. Einmal hatte meine Deutsch Lehrerin während eines Referats so große Internet Probleme, dass mein Mitschüler das Referat nochmal halten musste. Außerdem gab es in der Oberstufe zum Teil nicht mal Videokonferenzen, sondern ich habe nur Aufgaben per E-Mail zugeschickt bekommen. Und generell waren viele Lehrkräfte einfach überfordert mit den Umständen. Solche Situationen habe ich Studium zum Glück noch nicht erlebt. Es funktioniert meist ohne Probleme, nur manchmal haben einige Studierende oder die Dozenten kleinere technische Schwierigkeiten. Erst einmal ist einem Dozenten zu Beginn der Vorlesung der Computer abgestürzt. Die Dozenten kennen sich auch sehr gut mit der Technik aus - was vielleicht auch daran liegt, dass ich Wirtschaftsinformatik studiere - und das macht alles sehr viel einfacher. Auch haben die Lehrenden schon ein Lehrkonzept für die online Vorlesungen aus den vergangenen online Semestern, auf das sie auch recht schnell umstellen konnten. 

 

Mein Fazit zum online Studium

Ich bin zwar immer noch nicht begeistert davon, wieder den ganzen Tag alleine in meinem Zimmer lernen zu müssen und hätte mein Studium lieber in Präsenz. Aber alle machen das Beste aus der Situation und ich habe das Gefühl, dass ich alles mitbekomme und auch gut mitkomme. Die Situation ist eine komplett andere als im Homeschooling während meiner Oberstufe und darüber bin ich sehr glücklich. Trotzdem wünsche ich mir für mein zweites Semester wieder ein Präsenz-Studium, am liebsten auch das komplette Semester. Aber wer würde sich das nicht wünschen! 

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