Es ist gerade Mitte November, als ich mich endlich so richtig an den Studienalltag gewöhnt habe. Ich kenne meinen Vorlesungsplan und den Campus jetzt so gut, dass es mir leicht fällt, mich zurechtzufinden. Mit all meinen Dozenten komme ich gut zurecht und es hat sich einfach ein guter Zusammenhalt innerhalb meines Studiengangs entwickelt. Inzwischen hat sich die Zahl der Studierenden in meinem Studiengang bei 57 eingependelt (19 weniger als zu Semesterbeginn), doch auch von denen erscheinen bei weitem nicht alle zu den Vorlesungen. Ein gutes Beispiel dafür ist unser Semestersprecher, der eigentlich nie da ist, aber dennoch für den Studiengang eingeschrieben ist. Insgesamt macht es mir gerade echt viel Spaß zu studieren und mit meinen Komilliton*innen zu quatschen und zu lernen. Von mir aus kann das gerne so weiter gehen!
Doch dann kommt es ganz anders.
Am 18. November erhalte ich eine E-Mail vom Leiter der Fakultät Informatik, in der steht, dass ab dem 22.November alle Vorlesungen online stattfinden. Nur die Übungsstunden dürfen weiterhin in Präsenz abgehalten werden. Davon bin ich zwar nicht gerade begeistert, aber solange ich wenigstens noch die Übungsstunden an der Hochschule habe, kann ich damit leben. Die Übungen leben nämlich von gegenseitiger Hilfe und Austausch zwischen den Studierenden untereinander und auch zwischen den Dozenten und den Studierenden. Aber auch diese Situation bleibt nicht lange so bestehen. Am 23. November wird von der Hochschulleitung bekannt gegeben, dass von nun an alle Vorlesungen und Übungsstunden online gehalten werden müssen und zwar schon ab dem nächsten Tag!
Allgemein kann ich die Entscheidung der Hochschule nachvollziehen, vor allem in Anbetracht der sehr hohen Infektionslage. Trotzdem denke ich mir gerade nur noch: Na toll, mir wurde schon die gesamte Oberstufe mit dem Distanzunterricht versaut und jetzt geht das im Studium auch noch so weiter?! Aber vielleicht kriegt die Hochschule das mit der online Lehre ja besser hin als die Schule - noch ist nicht alle Hoffnung verloren...
Ich bin nicht die einzige, der diese Entwicklung sehr missfällt, auch viele meiner Komiliton*innen und Dozenten beklagen sich darüber. Vorallem die praktisch nicht vorhandene Vorbereitungszeit auf den online Betrieb spielt dabei eine Rolle.
Der erste Tag der Online-Lehre ist ziemlich seltsam. Niemand weiß so richtig, wie es laufen wird und in den Vorlesungen traut sich keiner etwas zu sagen. Man hat niemanden, an den man sich wenden kann, weil man ja alleine vor seinem Computer sitzt. Irgendwie erinnert mich das an den Anfang meines Studiums, wo ich noch das Gefühl hatte, mit der Situation hilflos überfordert zu sein. Doch diese anfängliche Überforderung ist schon am nächsten Tag überwunden, wahrscheinlich vor allem weil wir uns schon in Präsenz kennengelernt haben. Deswegen sehen wir auf dem Bildschirm nicht nur schwarze Kacheln mit irgendwelchen Namen darin, sondern haben zumindest zum Teil Gesichter vor Augen. Dadurch dass wir uns schon kennen, wissen wir auch, an welche Komiliton*innen wir uns bei Fragen zu den einzelnen Vorlesungen wenden können.
Ich merke aber sehr schnell, dass mir ein wichtiger Aspekt des Studiums fehlt: Nämlich der persönliche Kontakt und Austausch mit meinen Komiliton*innen. Vor allem das gemeinsame Lernen in der Zeit zwischen zwei Vorlesungen, das gemeinsame Bewältigen der Übungsaufgaben und sich gegenseitig Unverständliches zu erklären, halte ich für sehr wichtig. Auch einfach in der Pause miteinander zu quatschen und sich manchmal über die vergangene oder bevorstehende langweilige Vorlesung zu beschweren, fehlt mir.
Aber das ganze ist ja auch nicht nur negativ. Ich spare mir die Fahrt nach Rosenheim und damit auch sehr viel Zeit. Das heißt vor allem: ich kann morgens länger schlafen und das ist schließlich immer ein Vorteil. Auch meine Befürchtung, dass mein online Studium genauso ein Desaster wird wie der Distanzunterricht, den ich in der Oberstufe erlebt habe, hat sich nicht bestätigt. Einmal hatte meine Deutsch Lehrerin während eines Referats so große Internet Probleme, dass mein Mitschüler das Referat nochmal halten musste. Außerdem gab es in der Oberstufe zum Teil nicht mal Videokonferenzen, sondern ich habe nur Aufgaben per E-Mail zugeschickt bekommen. Und generell waren viele Lehrkräfte einfach überfordert mit den Umständen. Solche Situationen habe ich Studium zum Glück noch nicht erlebt. Es funktioniert meist ohne Probleme, nur manchmal haben einige Studierende oder die Dozenten kleinere technische Schwierigkeiten. Erst einmal ist einem Dozenten zu Beginn der Vorlesung der Computer abgestürzt. Die Dozenten kennen sich auch sehr gut mit der Technik aus - was vielleicht auch daran liegt, dass ich Wirtschaftsinformatik studiere - und das macht alles sehr viel einfacher. Auch haben die Lehrenden schon ein Lehrkonzept für die online Vorlesungen aus den vergangenen online Semestern, auf das sie auch recht schnell umstellen konnten.
Mein Fazit zum online Studium
Ich bin zwar immer noch nicht begeistert davon, wieder den ganzen Tag alleine in meinem Zimmer lernen zu müssen und hätte mein Studium lieber in Präsenz. Aber alle machen das Beste aus der Situation und ich habe das Gefühl, dass ich alles mitbekomme und auch gut mitkomme. Die Situation ist eine komplett andere als im Homeschooling während meiner Oberstufe und darüber bin ich sehr glücklich. Trotzdem wünsche ich mir für mein zweites Semester wieder ein Präsenz-Studium, am liebsten auch das komplette Semester. Aber wer würde sich das nicht wünschen!